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Salzgitter

„fuxundkauz“ mit acht „Denkshops“ an der Emil-Langen-Realschule

Für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5.2 der Emil-Langen-Realschule in Salzgitter begann der Schultag am zweiten Dienstag nach den Herbstferien in einem großen Stuhlkreis ohne festgelegte Sitzplätze, mit handgeschriebenen Namensschildern und einer überraschenden Frage: „Wer bist du?“

Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit dem „filofux“-Magazin, das sich mit dem großen, komplexen Begriff der „Identität“ befasst.

Wie sich zeigen sollte, lohnt es sich für die Kinder, einmal wirklich darüber nachzudenken. Genau dafür war das in der kulturellen Bildung verankerte und von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Projekt „fuxundkauz“ aus Hamburg nach Salzgitter angereist, wo es vier Vormittage lang darum ging, mit Schülerinnen und Schülern der 5. und 6. Klassenstufe der Realschule zum Thema Identität ins Gespräch zu kommen, gemeinsam zu philosophieren und zu diskutierten.

„Fuxundkauz“, das sind die Gründerinnen Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz, die ausgestattet mit vielen Ideen, Gedanken und Fragen, einem Flipchart und nicht zuletzt dem projekteigenen, farbenfroh gestalteten Magazin „filofux“ schon sehr gespannt waren, wie die Kinder ihre „Denkshops“ annehmen und was sie daraus entwickeln würden.

Wenn „Philosophieren“ vor allem „ganz viel wissen wollen“, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und das Denken in Bewegung zu bringen heißt, bietet es sich an, damit ganz konkret zu beginnen: Deshalb wurden die Kinder  – kaum hatten sie sich auf ihren Plätzen eingerichtet – gebeten, noch einmal aufzustehen, durcheinander durch den Raum zu spazieren und sich anschließend auf einen anderen Stuhl als zuvor zu setzen.

„Weißt du noch, wer da vorher gesessen hat?“, erkundigten sich „fuxundkauz“ dann bei den Schüler/innen. Sie ließen die Kinder abwechselnd darüber zu Wort kommen, was sie von dem oder der anderen wüssten und was andere ihrer Meinung nach von ihnen selbst wissen sollten. Am Flipchart wurden die Gedanken visuell festgehalten, so dass bald deutlich wurde: jede Person setzt sich aus mannigfaltigen Aspekten zusammen, von denen vielleicht nur die wenigsten auf den ersten Blick erkennbar sind. Ist Utku ein Einzelkind? Kann Alma gut Mathe? Finden die anderen auch, dass sie „lustig“ ist und stimmt das mit ihrer eigenen Wahrnehmung überein? Ist ein anderer eher schüchtern? Entdeckt man auf einmal, dass man am gleichen Tag Geburtstag hat? Spielt es eine Rolle, welche Hobbies man hat oder was man besitzt? Ist Religionszugehörigkeit wichtig? Hat Lorena ein Lieblingstier und kann Filippas gut erklären?

Die beiden Referentinnen interessierte im Anschluss aber noch eine andere Frage: „Haltet ihr es denn für wichtig, etwas voneinander zu wissen?“, fragen sie in die Runde. Zuvor hatte jedes Kind drei Abstimmungskarten von ihnen erhalten – „Ja“, „Nein“, „???“ stand auf diesen zu lesen. Denn nicht auf jede Frage gibt es die eine „richtige“ Antwort und manchmal erscheint als die einzig vertretbare nur ein „Ich weiß noch nicht“ oder ein „unentschieden“.

Trotzdem zeigen die meisten Karten in dieser ersten Abstimmungsrunde einer fünften Klasse ein „Ja“. „Warum?“, fragt eine der Referentinnen nach und bekommt darauf sehr nachvollziehbar zur Antwort: „Wir sind hier alle neu, und wenn wir Freunde sein wollen, müssen wir etwas übereinander wissen.“ Dass es für einzelne unterschiedlich wichtig sein kann, wie viel andere über sie wissen und wie viel sie umgekehrt von ihnen erfahren wollen, und dass es Dinge gibt, die man lieber nur mit wenigen teilt, lassen die weiteren Überlegungen und Blitzfragerunden erkennen.

Ein „Ergebnis“, über das man sich gut einigen konnte und das von allen akzeptiert wurde.

Links Miriam Holzapfel und rechts Stefanie Segatz.

Nach einer kurzen Pause – denn intensives Denken kann ganz schön anstrengend sein – ging es weiter mit dem „filofux“-Magazin. Genauer mit der ersten Ausgabe davon, die sich mit eben diesem großen, komplexen Begriff der „Identität“ befasst, also damit „was dich zu dem Menschen macht, der du bist“ – der eigenen Meinung nach, die mit der Sicht der anderen nicht unbedingt deckungsgleich ist. Muss auch gar nicht sein, denn so, wie sich die Welt ständig ändert, bleiben auch wir selbst wohl kaum genau die gleichen, die wir einmal waren. Und zumindest in der Phantasie können wir sogar in die Zukunft blicken und uns vorstellen, wo oder wie wir gerne einmal sein würden.

Schon bei der Suche danach, wie ein eigenes „Wappentier“ aussehen könnte, zeigte sich zum Beispiel, wie unterschiedlich und vielfältig die eigenen Beweggründe, Vorlieben, Erwartungen oder Assoziationen miteinander verknüpft sein können: Aus einem Heft schaute den Referentinnen, die sich während dieser kreativen Phase nochmal die Zeit nahmen, mit den Kindern jeweils einzeln ins Gespräch zu gehen, ein Löwe mit leuchtender Mähne entgegen. Dieser „König der Tiere“ tauchte dann noch häufiger auf, hier gemalt, dort beschrieben. Andere wählten einen Hund oder eine Katze, einfach weil sie diese Tiere so mögen oder ihnen Eigenschaften zuschreiben, mit denen sie sich identifizieren können. Aber auch die Spinne wurde von einem Jungen zum Wappentier gewählt und in sein Heft gezeichnet – und auch er hatte sich seine Gedanken dazu gemacht: „Sie ist ein ganz kleines und nützliches Tier“, und daher für ihn der Erwähnung wert.

Manche Kinder hatten auch schon weitergeblättert: „Bist du besonders?“ oder „Wie bist du mit anderen?“, lasen sie auf den bunt bedruckten Folgeseiten beispielsweise. „Bist du deine Umgebung?“ oder auch „… das, wo du hinwillst?“, fragte „filofux“ an anderer Stelle. Und zuletzt wollte das Heft sogar auf den Kopf gestellt werden, weil auch diese Überlegung durchaus aufschlussreich für die eigene Haltung sein kann: „Sehen dich andere so wie du dich siehst?“

So wie schon in den Gesprächsrunden zuvor, deutete sich in der Vertiefung mit dem Magazin insgesamt an: Mehr und immer wieder Neues auch über sich selbst zu erfahren, kann ein wirkliches Abenteuer und wichtig dafür sein, sich immer wieder in einer Welt verorten zu können, die vielen Änderungsprozessen unterworfen ist. Die Frage danach wird also auch mit der letzten Seite des von jeder und jedem Schüler/in individuell ausgefüllten „filofux“-Magazins ganz sicher nicht beantwortet sein – denn dort ist man ja keineswegs auch schon „am Ende deiner Gedanken“ – ganz im Gegenteil!

Die Dauer eines „Denkshops“ hingegen ist notwendigerweise dennoch begrenzt – und so war es für die teilnehmenden Klassen nach jeweils 90 Minuten des miteinander Fragens, Sprechens und Philosophierens Zeit, ein erstes kleines Resümee zu ziehen: „Wie haben euch die vergangenen 1 ½ Stunden gefallen?“, wollten die Referentinnen gerne von ihnen wissen und hörten aufmerksam und offen zu, was die Kinder „gut, aber vielleicht auch nicht so gut“ fanden. Und auch umgekehrt gab es ein Feedback, das die positive Atmosphäre der Gespräche deutlich widerspiegelte und ebenso im Gesamtrückblick auf die Woche zum Ausdruck brachte: Auch für Miriam Holzapfel und Stefanie Segatz war der Besuch an der Emil-Langen-Realschule und der dortige Gedankenaustausch mit den kulturell so vielfältigen Schülerinnen und Schülern eine beeindruckende Erfahrung, an die sie gerne zurückdenken.


Die vom 7. bis 10. November 2023 an der Emil-Langen-Realschule Salzgitter durchgeführte Veranstaltungsreihe mit dem von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Projekt „fuxundkauz“ wurde vor Ort vermittelt und ermöglicht durch das Literaturbüro im Fachdienst Kultur der Stadt Salzgitter.

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