Konzentrationslager in Salzgitter
1942 errichteten SS und die Reichswerke für Erzbergbau und Eisenhütten „Hermann-Göring“ das KZ-Außenlager Drütte. Unter einer betrieblich genutzten Hochstraße auf dem Werksgelände wurden mehr als 3.000 Häftlinge aus Frankreich, Holland, Polen, der Sowjetunion und anderen Ländern untergebracht. Sie mussten in den Rüstungsbetrieben Granaten und Bomben produzieren. 1944 wurden weitere Lager eingerichtet: Das KZ Watenstedt/Leinde und das KZ Salzgitter-Bad.
Die Gedenkstätte KZ Drütte
Bis in die 80er Jahre war die Geschichte der Konzentrationslager im Salzgittergebiet weitgehend verdrängt und vergessen. Erst anlässlich des 40jährigen Stadtjubiläums 1982 setzte eine öffentliche Diskussion ein. 1983 gründeten Bürgerinnen und Bürger den Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V. Gemeinsam mit dem Betriebsrat der Stahlwerke und vielen anderen Interessierten engagierte sich der Verein für die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Werksgelände. Am 11. April 1985 organisierte der Betriebsrat die erste Gedenkfeier am historischen Ort, die seitdem jährlich auf dem ehemaligen Appellplatz stattfindet. 1992 stellte der Konzern einen der vier Unterkunftsräume als Gedenkstätte zur Verfügung. Am 11. April 1994 wurde die Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte eröffnet. Gestaltung und Trägerschaft übernahm der Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V.
Die Dauerausstellung
In der Gedenkstätte KZ Drütte begegnet Geschichte dem Besucher ganz unmittelbar, hier ist eine lebendige Auseinandersetzung möglich. Die Themen Nationalsozialismus, Entstehungsgeschichte der Stadt Salzgitter, Nachkriegsgeschichte aber auch der Frage nach der Erinnerungskultur, kann man sich hier aus unterschiedlichen Perspektiven nähern: Sachtexte, Fotos und Dokumente führen in das Thema ein, Aussagen ehemaliger Häftlinge sind wesentlicher Bestandteil der Ausstellung. Sie geben den Häftlingen Namen und Gestalt wieder und lassen aus einer anonymen Masse wieder Menschen werden. Seminarräume und technische Ausstattung ermöglichen eine intensivere Beschäftigung, ein umfangreiches Archiv und eine Bibliothek ergänzen das Angebot.
Ein Ort für Begegnungen
In den Räumen der Gedenkstätte finden regelmäßig Veranstaltungen statt: Ausstellungen, Lesungen, Theater und Musik bieten vielfältige Impulse, sich dem Thema aus historischen und aktuellen Perspektiven zu nähern. Durch die besondere Lage der Gedenkstätte in einem arbeitenden Industriebetrieb kann diese in der Regel nur nach Anmeldung und in Begleitung durch den Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V. besucht werden.
Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V.
Wehrstraße 29
38226 Salzgitter
Tel.: 05341 44581
Fax: 05341 179213
E-Mail: infogedenkstaette-salzgitterde
2024: 30 Jahre Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte
"… dies ist die schönste Wiedergutmachung für alle diejenigen, die in Salzgitter gelitten haben …“ (Stane Tušar, 1994) mit diesen Worten eröffnete Stane Tušar, Überlebender des KZ Drütte, vor 30 Jahren am 11. April 1994 die Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte am historischen Ort.
Zehn Jahre Auseinandersetzungen und Widerstände gingen der Eröffnung voraus, doch mit Unterstützung von Zivilgesellschaft und dem Betriebsrat der damaligen Preussag Stahl AG konnte die Gedenkstätte durchgesetzt werden: Im Januar 1992 schlossen der Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V. und die Preussag Stahl AG einen Vertrag zur Nutzung eines Teils der historischen Räumlichkeiten.
Im Jahr 2024 kann der Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V. auf 30 Jahre erfolgreiche Gedenkstättenarbeit zurückblicken:
Bei der Eröffnung 1994 waren viele Überlebende der Konzentrationslager in Salzgitter vertreten und sprachen zur Gedenkstunde am 11. April über ihre Erinnerungen an das KZ unter der Hochstraße. Neben diesen Erfahrungsberichten entstanden enge Verbindungen zwischen den Überlebenden und der Gedenkstätte. Diese wurden durch ihre regelmäßigen Besuche in Salzgitter aber auch den ständigen Kontakt von Vereinsmitgliedern des Arbeitskreises aufrechterhalten.
Mit der leider bereits verstorbenen Elke Zacharias bekam die Gedenkstätte ein Jahr nach der Eröffnung die erste hauptamtliche Leiterin. Seit 1996 besuchen alle neuen Auszubildenden der Salzgitter Flachstahl GmbH (SZFG) die Gedenkstätte. Im Jahr 2000 fand das erste Azubi-Seminar zur Vorbereitung auf die Gedenkstunde statt. Die Auszubildenden der SZFG stellten damals 3000 farbige Stahl-Winkel her. Die Farben standen für die verschiedenen Haftgründe im KZ. Zur Gedenkstunde wurden die Winkel auf dem ehemaligen Appellplatz ausgelegt und zeigten eindrücklich die Menge der dort inhaftierten Menschen.
Mit der Wahl von Hasan Cakir zum Betriebsrat 2006 intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen Gedenkstätte und der Salzgitter AG weiter. Ein Jahr später wurde die Gedenkstätte unter anderem mit zwei Seminarräumen erweitert.
Es folgte ein Ausbau des pädagogischen Angebots: Schulklassen kamen, Jugendprojekte und Bildungsurlaube wurden organisiert. Seit 2010 findet jährlich ein Seminar mit Auszubildenden der SZFG in Vorbereitung auf die Gedenkstunde statt. 2013/14 entstand in diesem Rahmen das Denkmal „HINGESCHAUT?“, das seitdem den Gedenkort weithin sichtbar macht. Auch die finanzielle Grundlage konnte 2014 mit dem Vertragsschluss zwischen der Stadt Salzgitter, der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und dem Arbeitskreis Stadtgeschichte zur institutionellen Förderung auf eine sichere Basis gestellt werden.
2019 wurde die Gedenkstätte nochmals erweitert. Mit den neu hinzugekommenen 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche startete das Projekt „Neugestaltung“. Seither umfasst die Gedenkstätte den ganzen ehemaligen Block IV, das ehemalige Krankenrevier und den nach 1945 errichteten Anbau. Nach intensiven Recherchen, neuen Erkenntnissen und viel Arbeit durch das Team der Gedenkstätte konnte am 18. Oktober 2022 die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte eröffnet werden. Ein halbes Jahr später wurde der neue Seminarraum eingeweiht. Daraufhin verdreifachten sich die Besuchszahlen im Vergleich zu 2019 im Jahr 2023 auf über 3000 Besucher/innen. Auch das Team der Gedenkstätte konnte 2023 dauerhaft um eine von der SZFG finanzierte pädagogische Kraft erweitert werden. Für 2024 konnten eine Stelle für das Archiv sowie eine weitere für die Öffentlichkeitsarbeit besetzt werden.
Diese Errungenschaften waren nur durch die unermüdliche Arbeit der Überlebenden, von Ehrenamtlichen des Arbeitskreises Stadtgeschichte, freiwilligen Helfer/innen, Fördernden und nicht zuletzt den Kolleg/innen der Salzgitter AG und hier besonders dem Betriebsrats der SZFG möglich. Die Entwicklung der Gedenkstätte wird aktuell (2024) durch eine Ausstellung in der Gedenkstätte mit Graphic-Novel Zeichnungen, die im Rahmen des diesjährigen Azubiseminars zur Gedenkstunde entstanden sind, gezeigt.
(Text Arbeitskreis Stadtgeschichte: 30 Jahre Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte, 2024)